Abgrenzung von Extremismus, Radikalismus und Radikalisierung
Eine Zusammenfassung des Textes der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB).
Radikalismus und Extremismus werden im öffentlichen Diskurs oft gleichgesetzt, obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz eine klare Unterscheidung trifft: Radikalismus beschreibt zugespitzte Denkweisen, die gesellschaftliche Probleme an der Wurzel anpacken wollen, ohne dabei die demokratische Grundordnung infrage zu stellen. Er ist in einer pluralistischen Gesellschaft legitim. Extremismus hingegen zielt auf die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab und stellt somit eine direkte Bedrohung dar. Während Radikalismus auf Veränderung des Systems abzielt, strebt Extremismus dessen Überwindung an. [BfV]
Ein weiterer Unterschied liegt im politischen Kontext: Extremismus ist stets auf demokratische Systeme bezogen, Radikalismus kann jedoch systemunabhängig auftreten. Auch im Gewaltpotenzial unterscheiden sich beide: Extremismus kann sowohl gewaltfrei (kognitiv) als auch gewaltbereit (handlungsbezogen) sein. Doch bereits kognitive Gewaltlegitimation kann problematisch sein. Gewaltfreier Extremismus ist also nicht zwangsläufig harmlos.
Im Radikalismus sind die Meinungen zur Gewalt uneinheitlich: Manche sehen ihn als gewaltbereit, andere betonen seinen friedlichen, demokratischen Charakter. Insgesamt wird Extremismus häufiger mit Gewalt verbunden, Radikalismus dagegen auch mit gewaltfreien Mitteln.
Trotz dieser Unterschiede sehen einige Theorien Extremismus als Weiterentwicklung oder Teilmenge des Radikalismus. Eine solche Sichtweise greift jedoch zu kurz und vernachlässigt die Eigenständigkeit beider Konzepte.
Auch die Begriffe Extremismus und Radikalisierung werden häufig gleichgesetzt, obwohl sie Unterschiedliches bezeichnen: Extremismus ist ein Zustand, Radikalisierung ein Prozess. Radikalisierung beschreibt die schrittweise Entwicklung von Überzeugungen, die soziale Normen infrage stellen oder extremistische Ideologien unterstützen – sie ist also dynamisch, während Extremismus statisch ist. Wie bei den anderen Begriffen fehlt auch hier eine einheitliche Definition. Einige Konzepte verstehen Radikalisierung breit als Abweichung von gesellschaftlichen Normen, andere sehen darin gezielt den Weg in Gewalt oder Extremismus.
Besonders umstritten ist der Zusammenhang zur Gewalt: Während manche Radikalisierung automatisch als Weg zur Gewaltanwendung betrachten, unterscheiden andere klar zwischen gewaltfreier und gewaltvoller Radikalisierung. Problematisch ist vor allem die Annahme, dass Gewaltanwendung die Grenze zwischen Radikalisierung und Extremismus markiert. Denn nicht jede radikalisierte Person wird extremistisch – und umgekehrt kann sich Extremismus weiter radikalisieren, etwa in der Art und Weise, wie Gewalt legitimiert oder angewendet wird.
Daher sollte differenziert werden zwischen Radikalisierung ohne Gewalt, in die Gewalt und innerhalb der Gewalt. Diese Unterscheidung macht deutlich, dass Gewalt weder zwingender Endpunkt von Radikalisierung noch klarer Beginn von Extremismus ist – und dass eine schärfere begriffliche Trennung beider Konzepte notwendig bleibt.
Quelle: Abay Gaspar, H. (2020, 11. August). Abgrenzung von Extremismus, Radikalismus und Radikalisierung. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/lernen/bewegtbild-und-politische-bildung/reflect-your-past/313920/abgrenzung-von-extremismus-radikalismus-und-radikalisierung/